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Über die Dünnhäutigkeit von Schwellen

12.03.2016 to 16.04.2016
Esther Schipper, Berlin

Esther Schipper is pleased to present Isa Melsheimer’s second solo exhibition with the gallery. Entitled Über die Dünnhäutigkeit von Schwellen, the exhibition includes new concrete and ceramic works. In addition to a suite of gouaches, the rooms will be altered by a network of threads addressing the changeability and fragility of space, both in general and in the context of the specific conditions of this exhibition space.
Known for her engagement with the history of architectural styles—especially the legacy of Modernism and of concrete constructions from the 1960s and 1970s, a style generally referred to as Brutalism—Isa Melsheimer’s works are expressions of her intense research as well as formal investigations. The artist acts as archeologist of often forgotten or neglected buildings, recreating their distinctive shapes both from her study and from her vivid re-imagining of the forms and the spirit of the structures. Even if the individual buildings are not all well known and therefore might not be immediately recognized, the formal language is familiar
and has become a ubiquitous part of the urban landscape. Her work seeks to examine the connotations of the building’s historical and architectural context, and the ideological connotations with which its materials, aesthetics, and functions may be imbued.
The concrete works in this exhibition take as points of reference Brutalist buildings that were neither popular nor critical successes and have subsequently been demolished.
In her gouaches of architectural sites Isa Melsheimer constructs small autonomous worlds, seemingly detached from their real- world settings. The artist often choses black and white source material showing the building in their original condition, that is, without signs of subsequent decay or dilapidation and without later architectural or landscaping additions. Isa Melsheimer effectively reimagines the colors of the buildings and their interiors, unrestrained by the strictures of verisimilitude. The impression of these structures existing in a self-contained, timeless space is further emphasized by the fantastic elements that appear in these environments: wild animals like foxes or porcupines, clusters of brilliantly colored crystalline formations and/or extravagantly dark starry night skies.
Isa Melsheimer’s glazed ceramics  and another kind of representation of architectural structures that depart in scale, material and color from their sources. Although their scale recalls the miniaturized and schematic appearance of preliminary architectural models, the material and colors add a fantastic, playful aspect, and even let the works appear akin to individual personages.
A large-scale installation using threads to create geometric shapes addressing the architectural conditions of the exhibition space will span both rooms. In 2015 Isa Melsheimer installed a similarly expansive network of threads at the Espace Culturel Louis Vuitton in Paris.
Both Isa Melsheimer’s object-based works and her gouaches take a certain amount of free license, sometimes containing elements of fantastic recreation, but are always infused with a deep understanding for their architectural sources.

Umzug, 

6 mattresses, thread
90 × 140 × 100 cm

Unfinishedbuilding, 

fly screen, thread
32 × 32 × 20 cm

Ungeliebte Pflanzen, 

plants
Exhibition view at Forstgarten Kleve, Museum Kurhaus Kleve

Exhibition view at Forstgarten Kleve, Museum Kurhaus Kleve
within the exhibition “Blickwechsel” 
 
Ungeliebte Pflanzen
von Valentina Vlasic 
Kleve war Isa Melsheimer praktisch unbekannt – abgesehen davon, dass es die Heimatstadt von Joseph Beuys ist. Obwohl sie im nahen Neuss geboren wurde, hat die Wahlberlinerin zum Niederrhein keinen besonderen Bezug. Nur 1997 war sie einmal in Kleve, um das neu eröffnete Museum Kurhaus Kleve zu besuchen. Doch bis auf das Museum für zeitgenössische Kunst blieb ihr die Stadt mit ihrer Geschichte und den Gepflogenheiten ihrer Bürger weitgehend verborgen. Als sie 2010 eingeladen wurde, das Projekt „BLICKWECHSEL“ in Kleve zu realisieren, näherte sie sich der Stadt neutral und unvoreingenommen. Isa Melsheimer thematisiert in ihrer Arbeit oft Aspekte der Wohnkultur. Sie nimmt Bezug auf Spezifika des Ortes und macht deren Quintessenz deutlich, die sie poetisch umsetzt und kritisch beleuchtet. Für BLICKWECHSEL besuchte sie Kleve im März 2010 und stellte spontan eine Verbindung zur Landschaftsarchitektur dar. Sie lief die historische Tiergartenstraße ab – ein letztes Überbleibsel der historischen Badestadt Cleve, das die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überstanden hat – und sah die gepflegten Vorgärten und bereits blühenden Pflanzkübel. Ihr fiel auf, dass trotz der frühen Jahreszeit die Rasen fein säuberlich gemäht, die Hecken beschnitten und die Blumenbeete bepflanzt waren. Intuitiv erkannte Isa Melsheimer die Bedeutung der Gärten und der Natur für die Menschen in Kleve. Sie erfuhr, dass die besondere Affinität der Klever zu ihrem Gartenraum aus der langen Tradition der Landschaftsarchitektur herrührt. Der kunstsinnige Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen machte während seiner Statthalterschaft Mitte des 17. Jahrhunderts aus Kleve ein Gesamtkunstwerk aus Gärten und Stadtgebiet, das ihr ein völlig neues Aussehen verlieh. Mit dem Architekten Jacob van Campen schuf er ein weit verzweigtes System von Alleen, Kanälen und Sichtachsen, das die Stadt von Westen, Osten und Süden umfasste und Ebenen, Hügel und Waldgebiete mit einbezog. Johann Moritz konzipierte die Parkanlagen für die Öffentlichkeit und legte das Fundament für die spätere Weiterentwicklung Kleves. Ohne sie wäre im 18. Jahrhundert nicht der Kurort „Bad Cleve“ entstanden, der Besucher aus nah und fern anzog und bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt darstellte.

Mit diesem Hintergrund realisiert Isa Melsheimer für BLICKWECHSEL eine Installation in den historischen Parkanlagen. Dafür benutzt sie Zierpflanzen, die sie als Spende nach einem Aufruf im Freundeskreis der Klever Museen erhalten hat. Sie will keine intakten Blumen und Gewächse verwenden, sondern die „ungeliebten Pflanzen der Stadt“, die zum Sommerende hin in vielen Haushalten anzutreffen sind. Sie bemüht sich um Pflanzen, die krumm, welk oder von Pilzen befallen sind. Sie zielt auf Pflanzen ab, die nicht richtig wachsen, die zu groß oder zu klein sind oder die schlichtweg aus der Mode gekommen sind und als unschön empfunden werden. Diese „ungeliebten Pflanzen“ sammelt Isa Melsheimer ein und setzt sie auf einer Insel im Forstgarten gegenüber dem Museum Kurhaus Kleve aus. Indem sie eine Arbeit in den historischen Parkanlagen realisiert und sich dabei auf das Unschöne und Ungeliebte konzentriert, analysiert Isa Melsheimer die Alltagskultur Kleves. Als Grundlage für ihre Arbeit dienen ihr einzelne Zier- und Topfpflanzen, die sie auf einer Gesamtkonstruktion arrangiert. Hinter jeder Pflanze steht ein individuelles Schicksal, jede Pflanze wird zum Zeugnis gesellschaftlicher Ambivalenz. Sie thematisieren Kultiviertheit, Ordnungsliebe, Hässlichkeit und Einsamkeit gleichermaßen. Die eingegangenen Pflänzchen verweisen auf Leben und Tod, auf Vergehen und Verdrängung. Isa Melsheimer ist dabei nie sentimental, aber ungeheuer poetisch und menschlich. Dadurch, dass sie Zierpflanzen verwendet, ruft sie im Betrachter Geborgenheit hervor, durch das nicht intakte Äußere Verwahrlosung und Unsicherheit.