Times are hard but Postmodern
Times are hard but Postmodern
von Anna-Catharina Gebbers
Isa Melsheimer lässt mit sparsamen Setzungen ihre Arbeiten mit den Räumen der Galerie Jocelyn Wolff zur titelgebenden Installation Times are hard, but Postmodern zusammenfließen. Die behutsamen, fast spielerischen Dialoge, die Isa Melsheimer stets mit der gegebenen architektonischen Umgebung ihrer Ausstellungen entspinnt, spiegeln in dieser aktuellen installativen Anordnung das Thema der Werkgruppe: Kaum eine architektonische Epoche ist stärker durch Dialoge geprägt als die Postmoderne.
Elementare Formen wie Kegel, Kugeln, Pyramiden oder Würfel, Haut- und Sorbettöne, lamellenförmig angeordnete Oberflächen und Mustermixe: Die Form- und Farbwelt von Isa Melsheimers Werken evoziert Assoziationen zum radikalen Anti-Design der Memphis-Gruppe, die eine Abwendung vom „Internationalen Stil“ der Moderne und eine Hinwendung zum emotionalen Design der Postmoderne verkündete.
Mit einer Wandcollage zitiert Isa Melsheimer den Architekten Charles Jencks, der das symbolische Ende der modernen Architektur und den Übergang zur Postmoderne genau terminiert: Um 15.32 Uhr am 15. Juli 1972 wurde die Sprengung des Pruitt-Igoe-Wohnkomplexes ausgelöst. 1955 war in St. Louis/Missouri dieses euphorisch als zukunftsweisend gefeierte Projekt des Sozialen Wohnungsbaus fertiggestellt worden, bei dem der Architekt Minoru Yamasaki den rationalen Planungsprinzipien von Le Corbusiers moderner Wohnmaschine gefolgt war. Doch die Mustersiedlung versank nach kurzer Zeit in Gewalt und Vandalismus – und gilt bis heute als Symbol des Scheiterns moderner Architektur und Stadtplanung. Auf den Modernismus folgte die Ära einer als postmodern bezeichneten Architektur, die mit der totalitären Idee des einen universalen, rationalen, funktionalen Gestaltungsprinzips bricht und sich über ein stilistisch eklektizistisches Reagieren den jeweiligen lokalen Traditionen und spezifischen räumlichen Gegebenheiten öffnet.
Isa Melsheimer lässt die mit dieser urbanen und architektonischen Entwicklung verbundenen Hoffnungen in ihren Arbeiten spürbar werden. Das Zentrum ihres Interesses bilden Architekturen aus Rom: einer Stadt, die historisch gewachsen ist. Im Gegensatz etwa zu Le Corbusiers großen stadtplanerischen Visionen für Paris, die auf einen Flächenabriss des historischen Zentrums unter Beibehaltung einiger weniger Monumente und den Ersatz durch regelmäßig angeordnete Hochhausbauten zielte, entspricht Rom städtebaulich dem, was der Architekt Colin Rowe als „Collage City“ bezeichnete: einem unablässigem Prozess der Fragmentation, der Kollision und Kontamination mit den disparaten Ideen verschiedener Generationen.
Doch wenn Isa Melsheimer sich in diesem Sinne auf ideelle Stadtplanungen von Architektengruppen wie UFO, Superstudio und ihre Megastruktur-Persiflage The Continous Monument oder Archizoom Associati und deren Modell der No-stop City bezieht, blitzt darin auch die Reflexion eines hinter manchen postmodernen Entwürfen trotz aller Modernekritik liegenden technikverherrlichenden Denkens auf.
Auf einem an die Grafiken von George Hardie erinnerndem Stoffobjekt inszeniert Isa Melsheimer in sinnlich-zarter Stickerei und doch provokant zwei prominente römische Bauten: die 12 v. Chr. als Grabmal fertiggestellte Cestius-Pyramide und den 1943 für Mussolinis Stadplanungsprojekt EUR fertiggestellten Palazzo della Civiltà Italiana. Beide Gebäude sind weder im römischen Stadtraum nebeneinander lokalisiert, noch sind sie im architekturhistorischen Sinne postmoderne Bauten. Dennoch stehen sie hier wie selbstverständlich nebeneinander und untermauern so die Collage-City-These von Rom als einer in ihrer nonlinearen Entwicklung funktionierenden Stadt.
Isa Melsheimers Werke erinnern zudem daran, dass die Postmoderne mit ihrer Reemotionalisierung der jahrzehntelang auf Funktionalisierung reduzierten Architektur idealistisch begann und mit Alessi-Korkenziehern und Zuckerdöschen endete:
Noch 1974 verbrannte der Designer Allesandro Mendini in einer ritualhaften Performance seine Lassù-Stuhlobjekte. 1979 initiierte Mendini mitten in der Aufbruchstimmung der Postmoderne gemeinsam mit Alberto Alessi für dessen Küchenartikelfirma das Tea & Coffee Piazza-Projekt, das Haushaltswaren als Mikroarchitekur erscheinen ließ. Zahlreiche internationale Architekten entwickelten dafür in der Art eines architektonischen Manifests jeweils Tee- und Kaffeesets.
Darunter auch Charles Jencks, der mit seinem Set die Formensprache antiker Säulen durchdeklinierte. Isa Melsheimer verbindet seine Entwürfe in ihrem Betonobjekt Tea & Coffee, Piazza d‘Italia in Post-Katerina Times mit der Piazza d‘Italia, die New Orleans 1978 für seine italienisch-stämmige Bevölkerung nach einen Entwurf des Architekten Charles Willard Moore realisierte. Einst als der postmoderne Platz schlechthin entstanden wird die Anlage mittlerweile von den immer näher heranwachsenden Hochhausarchitekturen der Umgebung erdrückt und als urbaner Treffpunkt der Bevölkerung entfremdet. Neue stadtplanerische Fragen stellen sich nach dem Wirbelsturm Katerina.
Das Spiel der Zitate weitet Isa Melsheimer in zwei als Regale angeordneten Collagen aus: Vasen-Objekte aus Keramik zitieren die an Architekturmodelle oder Kapitelle angelehnte Yantra Vases (1969) von Ettore Sottsass und erinnern an Rem Koolhaas‘ Manifest Delirious New York (1978). In drei in Tiffany-Technik hergestellten Objekten klingen die Miniaturen des Möbelherstellers Vitra an: Sottsass‘ Regal Carlton, ein Dachaufbau, aber auch ein in Italien populärer sternförmiger Lampenschirm.
Mit Wandmalereien geht Isa Melsheimer auf die spezifische Lokalität und Geschichte des Galerieraumes ein, indem sie Linien verlängert und Punkte verbindet. Auch dies ist ein Flirt mit dem postmodernen Spiel der Zitate, des Ornamentalen und des Entlanggleitens an Oberflächen. Isa Melsheimers Gouachen collagieren grafische Entwürfe mit Gebäuden aus Boston, Berlin, London und Rom - ein Fuchs verweist auf Isaiah Berlins Modell vom unzusammenhängenden Denken gegenüber dem zusammenhängenden, auf ein universales Gestaltungsprinzip gerichtetes Denken des Igels.
Das italienische Sprichwort „Die Zeiten sind hart, aber modern“ wurde ebenfalls vom deutschen Philosophen Peter Sloterdijk in seiner Kritik der zynischen Vernunft (1983) aufgegriffen: Sloterdijk legt dar, wie der einstige Kynismus als eine Antithese zur griechischen Akademie und Ventil einer entmachteten Bevölkerung in einem neuzeitlichen industriellen oder postindustriellen System zu einem Zynismus von nur mehr merkantil verstandenen Handlungen gerinnt.
Humorvoll weckt Isa Melsheimer Skepsis daran, ob die Postmoderne oder andere Formen von radikalem Individualismus trotz allen hoffnungsvoll idealistischen Anfängen tatsächlich einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit darstellen oder doch nur Aspekte des technologisch rationalen, nüchternen und funktional effizienten Modernismus und damit eine besondere Erscheinungsform des Kapitalismus verkörpern. Isa Melsheimers Werke regen dazu an, die Spielräume zu untersuchen, in denen sich Widerstand entfalten könnte.